Aberwitziger Antrag für einen "Erlebnisraum Friedhof"

Der Antrag von CDU und FDP mit der befremdlichen Überschrift „Friedhof als Erlebnisraum nutzen“ ist mit heißer Nadel gestrickt. Er ist kein tauglicher Reformvorschlag. Er dient nur dazu, den geplanten Bestattungswald in Hallgarten zu zerstören - ohne eine Alternative anzubieten.

10.11.16 – von Markus Jantzer –

Dieser Antrag von CDU und FDP ist mit heißer Nadel gestrickt. Sie wissen: Das Friedhofswesen in Oestrich-Winkel ist nicht mehr zeitgemäß und weist einige Mängel auf. Es kann daher nicht so bleiben, wie es ist. Was Sie hier vorlegen, ist allerdings kein tauglicher Reformvorschlag.

Schon die Überschrift des Antrags verrät: Hier haben sich die Antragsteller zu wenig Gedanken gemacht. Die Überschrift lautet „Friedhof als Erlebnisraum nutzen“. Ich finde sie befremdlich.

Wie es scheint, ist es notwendig, in Erinnerung zu rufen: Auf einem Friedhof werden die Toten bestattet. Ein Friedhof ist zuallererst ein Ort der Totenruhe, ein Ort der Trauer und der Stille. Hier gedenken Angehörige und Freunde der Verstorbenen.

Aber CDU und FDP wollen laut Antrag, dass die vier städtischen Friedhöfe sich zu – und jetzt zitiere ich wörtlich – zu „erfahr- und erlebbaren Parkanlagen“ entwickeln. „Erfahrbare Parkanlage“ – was für ein Unfug! Wer die Friedhöfe in Oestrich-Winkel kennt, weiß: Sie lassen sich - allein schon weil sie dafür zu klein sind - nicht zu Parkanlagen gestalten.

Natürlich: Es gibt wunderschöne Friedhofparks, in denen sich Menschen nicht nur aufhalten, um tote Angehörige zu besuchen, sondern auch um in dieser besonderen Atmosphäre spazieren zu gehen oder ihren Gedanken nachzugehen. Ich denke dabei etwa an den Nordfriedhof in Wiesbaden oder an den Friedhof Père Lachaise in Paris. Aber was hat das mit Oestrich-Winkel zu tun? Nichts!

Besonders kennzeichnend für die drei Friedhöfe in der Talgemeinde ist der Lärm der Züge, die ständig in unmittelbarer Nähe zum Friedhof vorbeidonnern und im Grunde würdevolle Trauerfeiern und stilles Gedenken unmöglich machen. Allein diese Tatsache spricht unbedingt dafür, den Menschen aus Oestrich-Winkel, aber gerne auch aus dem ganzen Rheingau, am Waldrand von Hallgarten einen Ort der Stille anzubieten.

CDU und FDP weisen in der Begründung ihres Antrags darauf hin, dass die Hochschule Geisenheim, die sie als Landschaftsplaner engagieren wollen, bereits ein solches Projekt in Montabaur begonnen habe. Das ist richtig, nur: In Montabaur sind die Voraussetzungen völlig andere als in Oestrich-Winkel. Ich zitiere den Leiter der Grünflächenverwaltung bei der Verbandsgemeinde, Markus Kuch: „Der Friedhof ist ein echtes Schatzkästchen. Wir haben hier einen wunderbaren Baumbestand, freie Rasenfläche, historische Gräber und an vielen Stellen einen Panoramablick über das Gelbachtal. Beste Voraussetzungen, den Friedhof als Parkanlage mit ruhigem Charakter zu nutzen.“  

Da kann ich nur sagen: Schön für Montabaur. Doch zu einer „Parkanlage mit ruhigem Charakter“, wie Herr Kuch sagt, lässt sich keine einzige der Friedhöfe in Oestrich, Mittelheim und Winkel umgestalten. An Ruhe und ruhigen Charakter ist dort nicht zu denken! Da haben Sie sich, meine Damen und Herren von CDU und FDP, mit Montabaur ein vollkommen ungeeignetes Vorbild ausgesucht.

Denn es kommt ein Weiteres hinzu: Der städtische Friedhof in Montabaur ist mehr als fünf Hektar groß. Das ist noch keine stattliche Parkgröße, aber für eine Parkanlage eine ausreichende Größe. Aber schauen Sie sich unsere vier Friedhöfe an: Die erreichen maximal ein Zehntel der Fläche in Montabaur. Wer da von einem Park spricht, macht sich lächerlich.

Der vorliegende Antrag ist unausgegoren. Ich bewerte ihn als gedankenlos, manche empfinden ihn sogar als pietätlos. Heißt es doch in diesem Antrag lediglich, „die ursprüngliche Bestimmung als Bestattungsanlage ist nicht aus den Augen zu verlieren“. Herr Kuch aus Montabaur äußert sich hingegen erheblich respektvoller über die etablierte Bestattungskultur auf unseren Friedhöfen. Er sagt ausdrücklich: „Im Vordergrund muss immer stehen, dass die eigentliche Funktion als Ort des Totengedenkens nicht beeinträchtigt wird.“

Meine Empfehlung an CDU und FDP ist: Stellen Sie den Antrag zurück. Denken Sie noch einmal nach. Zumindest für die Vertreterinnen und Vertreter der Partei, die das Attribut „christlich“ in ihrem Namen trägt, sollte selbstverständlich sein, dass sie auch das Gespräch mit den Kirchen suchen. Ich will die Kirchen nicht überbewerten, aber sie haben immerhin eine jahrhundertelange Erfahrung mit Bestattungen und Trauerfeiern.

Wir GRÜNEN sind sehr daran interessiert, unsere Friedhöfe weiterzuentwickeln: zu zeitgemäßen Orten der Stille, die den kulturellen Wertewandel in der Bevölkerung berücksichtigen und die eine ansprechende Landschaftsarchitektur aufweisen. Dazu müsste der Antrag aber deutlich verändert werden. So müsste er den bereits von mir zitierten Satz enthalten: „Im Vordergrund muss immer stehen, dass die eigentliche Funktion als Ort des Totengedenkens nicht beeinträchtigt wird.“ In Bezug auf die drei vorhandenen Friedhöfe in Oestrich, Mittelheim und Winkel müsste das Wort „Park“ gestrichen werden, weil es nichts mit der dort anzutreffenden Realität zu tun hat.

Nicht dass Sie mich falsch verstehen: Einen Friedhof mit Parkcharakter fände ich toll in Oestrich-Winkel. Dazu müsste aber erstens das Gelände groß genug sein und außerdem weit genug von der Bahn entfernt liegen.      

SV Markus Jantzer Oestrich-Winkel, 7. November 2016

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